Hospitation an einer öffentlichen Schule

Letzte Woche hospitierte ich an einer öffentlichen Schule in Bamako, um das malische Schulsystem und die Arbeit des Lehrpersonals kennenzulernen. Die Nachbarin meiner Bambaralehrerin, Germaine,  ist zufällig Lehrerin und hat mich an ihrer Schule eingeladen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden erst an eine öffentliche Schule zu gehen, bevor ich die privaten Schulen des Partnervereins kennenlernen. So kann ich vergleichen, was an den privaten Schulen anders oder besser läuft. Unter den neugierigen Blicken der Schülerinnen und Schüler wurde ich von Germaine begrüßt und der Direktorin vorgestellt. Jeden Morgen war mein erster Gang der zur Direktorin, um meinen Respekt zu erweisen.  

Germaine unterrichtet die 69 Schüler der 5. Klasse. Gar nicht so einfach die Schüler zum arbeiten zu bringen. Dass der Schlagstock dabei immer wieder als einfache und wirksame Erziehungsmethode zum Einsatz kommt, ist hier bei vielen Lehrern selbstverständlich, auch wenn es offiziell verboten ist. Der Unterricht verläuft nur frontal. Die Lehrer schreiben etwas an, erklären es und lassen es abschreiben. Hin und wieder werden Fragen gestellt, die die Schüler animieren zu wiederholen, was der Lehrer zuvor erklärt hat. Große Transferleistungen gibt es keine. 


Neben der 5. Klasse besuche ich an verschiedenen Tagen auch die 1., 2., 4. und 6. Klasse. In der 1. und 2. Klasse wird nur auf Bambara unterrichtet. Auch Lesen und Schreiben lernen sie mit dem Bambaraalphabet, was sich von dem Französischen teilweise unterscheidet. Ab der 3. Klasse wird dann konsequent auf Französisch unterrichtet, gesprochen und geschrieben. Diesen Sprung meistern nur die wenigsten Schüler. Viele verstehen kaum die Aufgabenstellungen der Lehrer, sodass diese immer wieder auf Bambara sicherstellen müssen, dass alle verstanden haben was zu tun ist. Der Besuch in der 4. Klasse zeigt mir, dass viele Schüler auf Französisch weder lesen noch schreiben können. 

Besonders begeistert haben mich die vielen Lieder und Spiele in der 1. und 2. Klasse. Dort scheinen die Kinder noch Spaß am Lernen zu haben und lernen spielerisch Lesen und Schreiben. Ab der 3. Klasse sieht es dann schon anders aus. Der harte Wechsel von Bambara ins Französisch macht für die Lehrer hier keinen Sinn, aber da es der Staat vorschreibt, wird es umgesetzt. Einige Eltern schicken ihre Kinder deshalb für die ersten 2 Jahre an Privatschulen, wo direkt mit Französisch gestartet wird. Ab der 3. Klasse gehen sie dann an die kostenlose öffentliche Schule. 

Die Klassengrößen (um die 70 Schüler) machen es den Lehrern schwer alle Schüler gleichermaßen zu betreuen. Hinzukommt die große Heterogenität im Alter der Schüler. Einige werden mit 5 eingeschult, andere mit 6 oder 7 und andere besuchen erst eine Koranschule und werden mit 10 oder 11 an der öffentlichen Schule eingeschrieben. Der Staat überprüft kaum, ob Schüler überhaupt eingeschult werden oder von den Eltern zu Hause als Arbeitskräfte einbehalten werden. Die Lehrer berichten, dass einige Schüler keine Geburtsurkunde haben und hin und wieder Beamte vorbei kommen um welche zu erstellen. Einige Schüler besitzen kein oder kaum Schulmaterial, da ihre Eltern nicht in Schulmaterial investieren wollen oder können . Zu Hause gibt es für viele Kinder kaum Unterstützung durch die Eltern. 



Was bleibt nach diesen ersten starken Eindrücken? Respekt, vor dem was die Lehrer und Schüler unter diesen Bedingungen leisten müssen. Frustration, vor dem Verhalten mancher Lehrer, die während des Unterrichts Tee trinken, Pläuschchen halten, bei Händlern Einkäufe tätigen oder wegen privater Angelegenheiten dem Unterricht fern bleiben und das, obwohl sie als staatliche Angestellt ein relativ sicheres Einkommen haben. Etwas Fassungslosigkeit, vor dem unstrukturierten Tagesablauf den ich erlebt habe. Trauer, wenn ich daran denke, welches Potential in manchen Kindern steckt und aufgrund der prekären schulischen Situation nicht gefördert werden kann. Dankbarkeit, wenn ich daran denke unter welchen Bedingungen ich in Deutschland arbeiten konnte. Neugierde, wie es wohl an den privaten Schulen aussehen mag, mit denen ich zusammenarbeiten werde. 





Kommentare

Beliebte Posts

Spendenkonto

Christliche Fachkräfte International

Evangelische Bank eG
IBAN DE13 5206 0410 0000 4159 01
BIC GENODEF1EK1

Verwendungszweck: Janina Meier